DEUTSCHER NEGER ist die erste öffentlich aufgeführte Tantheaterproduktion von Bonger Voges. Sie beschreibt einen Zyklus von 3 Tanzstücken welche die weitere Arbeit von Voges deutlich beeinflusst haben. „Für mich gelten diese Stücke dennoch als Lehrstücke auf dem Wege zum Choreographen“.
„Deutscher Neger” steht für den Underdog – Außenseiter, für die kreativen, sinnlichen, lebensfreudigen Impulse der Nicht-Privilegierten.
Von dem Titel dieser ersten Aufführungen leitete sich später der Name für Voges‘ Künstler- und Tänzergruppe „Tanztheater Neger” her. 1990 wurde der inzwischen als gemeinnützig anerkannte Künstlerverein in „Kunstwelt e.V. München” umbenannt.
Ein Schild „Tanztheater Neger” vor einer alten Reichswehrhalle in der Dachauerstraße 128 in München brachte den Volksmund darauf diesen Ort „NEGERHALLE” zu nennen, eine Münchener Legende war geboren.
D.E.U.T.S.C.H.E.R. N.E.G.E.R.
Tanz Musik Malerei
DEUTSCHER NEGER ist ein über ein Jahr ständiger Arbeit entstandenes Tanztheater in drei Teilen.
Im Programm stand: Es ist eine Reise „vorwärts” zu den Urformen von Macht und Stärke. Nicht ein zurück zu Afrika, sondern ein neu entdecken von Ur-Kräften. DEUTSCHER NEGER arbeitet mit abstrakten Bewegungsabläufen und Improvisationen, mit lebender Farbe und lebender Musik. Bewegung, Farbe und Rhythmus verschmelzen zu starken symbolträchtigen Bildern.
DEUTSCHER NEGER fasste die drei ersten Stücke von Voges als erstes abendfüllendes Ballett zusammen und erzählt von Menschwerdung.
Aufgefangen werden Bewegungen und Symbolik von dem Maler Stephan Rustige, der im Hintergrund ein sich ständig veränderndes Bild schafft, indem er in phantastischer Weise Impulse aufnimmt und gibt. Die Macht und Stärke äußert sich auf dem Papier.
Man mag sich in Form und Farbe an urzeitliche Höhlenmalereien erinnern, doch wird vielmehr die Ur-Kraft moderner abstrakter Malerei verwandt.
„Die Moderne Todsünde.
Darstellung einer modernen Welt. Charakterisiert durch Synthesizer Klänge und moderne Objekte. So z. B. ein Zahnarztstuhl oder ein Einkaufswagen. Der Mensch bewegt sich in diesem Umfeld, begrenzt durch über die Bühne gespannte Gummibänder. Eine beeindruckende Szene bietet das Auftauchen einer Person, die mit Gummibändern zwischen den Gelenken tanzt. Diese Szene ist sehr schön auf Geräusche von schnalzenden Gummis des Synthesizers abgestimmt.
Sich an Klängen klammernd, die das ganze Stück zusammenhalten, zeigt sich das akrobatische Können der Darsteller. Doch der Wagnis, Charakter dieses Stückes, sollte nicht ausreichen.
Tanz – Theater – Performance
Erspart bleibt es zu sagen, wer nun Vertreter welches Begriffes ist, da die bunte Mischung wohl vorherrschte. “ Agnes Marghescu
Deutscher Neger arbeitet mit abstrakten Bewegungsabläufen und Improvisationen, mit Live-Malerei und Live-Musik.
Malerei: Stefan Rustige, arbeitete u.a. mit den Musikgruppen Embryo und Checkpoint Charly
Musik: Irene Rindje und Wolfgang Meiler von CoolTour
Inszenierung, Choreographie: Bonger Voges
Bonger Voges, in N.Y., Hannover, Rotterdam und München ausgebildet, gehörte von 1979 bis 1983 als Solist zum Tanzprojekt München. Im Mai 1981 hatte er in der TPM-Probebühne, München sein choreographisches Debüt. Der DEUTSCHE NEGER (1982) gilt als wegbereitendes Lehrstück seiner späteren Inszenierungen.
Nach den Fotos: Artikel aus „tanz aktuell“ von 1987 zum Titel DEUTSCHER NEGER und der Philosophie seiner Arbeit.
Das Magazin "tanz aktuell" schreibt in seiner Ausgabe Nr.VII im August 1987 Deutsche Neger "Deutscher Neger" (1982) nannte Bonger Voges seine erste Inszenierung. Zwischen Tanz und Theater entwickelte er eine provokative, mythische, nachmoderne und traditionsbewußte Bildersprache, die sich in unbeugsamer Konsequenz in den Inszenierungen "Fesselhain" (1984), "Männertänze" (1985) und Möder,... (1986) fortsetzte. "Deutscher Neger" umschreibt zugleich das Konzept. Der Neger als der unterdrückte, verachtete, kulturlose Rohling, den der Europäer wegen seiner komischen und mythischen Natur- und Selbsterfahrung mit einem Blick voller Neid betrachtet, und der Deutsche, der von seinen Wurzeln abgeschnittene Herrenmensch, ebenso verklemmt wie erfolgreich, mit Klichees besetzte Begriffe, die in ihrer Verbindung eben diese Klichees aufdecken. "Deutscher Neger" ist genau die Formel, die schlagartig aus dem Dilemma einer absurden Kulturdiskussion herausführt und die Frage nach einer Identität in befreiender und öffentlicher Form aufs Neue stellt. Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit: diese Notwendigkeit steht außer Zweifel. Doch sollte sie uns nicht daran hindern, das Kulturgut dieser Vergangenheit in allen Konsequenzen zu nutzen. Erfahrungen mit ihr zu machen und dafür ist es wichtig, die Tabus der besetzten Bilder zu brechen, sie neu in eine Gegenwart zu interpretieren. Benjamin hatte diese Formel der historischen Erfahrung, den "Tigersprung" in die Vergangenheit, in die 20iger Jahre gefordert. Keine historische Konstruktion, kein verstaubter Historismus, sondern - zum Beispiel - das essentielle Erleben einer Aussage des germanischen Mythos, welche unmittelbar in unsere Gegenwart einsteht. Das Bewegungstheater bietet sich als lebendige Kunstform an, diesen Sprung zu wagen. Das TANZTHEATER NEGER erscheint roh in seinem Bewegungsmaterial. Voges und Blauenstein gehen aus von symbolbesetzten Objekten - dem Balken, dem Segel, der Fessel ... - die von Tänzern bewegt werden.. Es ist ein Objekttheater, in dem die Grenzen zwischen Material und Mensch fließend werden, in dem jener mythische Fluß zwischen Welt und Mensch kurzfristig Form gewinnt - Identität in einem doppeltem Sinne, in einem nationalen und in einem "weltanschaulichen". "Fesselhain", Männertänze" und "Mörder,..." thematisieren die Konfrontation des männlichen und weiblichen Prinzips. Sie wurden inspiriert durch einen Text von Tacitus, symbolbeladene Objekte und Kokoschkas Drama "Möder, Hoffnung der Frauen". Vor diesem Hintergrund entstand das Gespräch mit Bonger Voges, dem Leiter des Tanztheater Neger, München. tanz aktuell Juli/ August 1987